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Heute gibt es einen Eintrag zum Buchstaben „H“ wie Heuriger.
Der Heurige ist weit mehr als nur ein gastronomischer Betrieb – er ist eine Wiener Institution und Symbol für die Verbindung von Stadt und Weinbau. Der Begriff leitet sich vom „heurigen“ Wein ab, also jenem Tropfen, der im jeweiligen Jahr geerntet und ausgeschenkt wird. Schon im 18. Jahrhundert erhielten Winzer von Kaiser Joseph II. das Recht, den eigenen Wein im Hof oder im Garten selbst zu verkaufen – die Geburtsstunde des Heurigen. Buschenschank – die Wurzel des Heurigen

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Das Privileg des Buschenschanks regelte genau, was ein Winzer ausschenken durfte: ausschließlich den eigenen Wein sowie eine einfache kalte Jause. Gekennzeichnet wurde das offene Haus traditionell durch einen Föhrenbuschen (einen grünen Zweig), der über der Tür hing – daher auch der Name. Dieses Symbol findet man noch heute an vielen Heurigen, es signalisiert: Hier gibt es frisch eingeschenkten, „heurigen“ Wein. Die Verbindung von einfacher Bewirtung, regionalem Wein und geselligem Zusammensitzen ist damit direkt aus der Buschenschank-Tradition hervorgegangen.
Wein und Wiener Lebensgefühl

Heute versteht man unter einem Heurigen sowohl das Getränk selbst als auch die Lokalität, in der er kredenzt wird. Typisch sind rustikale Stuben, schattige Gärten mit Kastanienbäumen und eine ungezwungene Atmosphäre. Die Einrichtung ist oft schlicht: Holztische, Gläser ohne Stiel, ein Buffet mit kalten und warmen Speisen. Von Liptauer über Aufstrichbrote bis zu Schweinsbraten und hausgemachten Mehlspeisen spannt sich das kulinarische Repertoire.
Musik und Geselligkeit
Untrennbar mit dem Heurigen verbunden ist die Musik. „Heurigenmusikanten“ mit Geige, Schrammelharmonika und Kontragitarre ziehen von Tisch zu Tisch und spielen Wienerlieder – oft melancholisch, manchmal derb, immer mitreißend. Der Heurige ist Treffpunkt für alle Gesellschaftsschichten: Familien, Studenten, Geschäftsleute und Touristen sitzen hier Schulter an Schulter, plaudern, singen oder genießen einfach die Atmosphäre.
Typische Gegenden
Die bekanntesten Heurigenorte finden sich am Stadtrand, wo Weinberge und Stadt ineinander übergehen: Grinzing, Neustift am Walde, Sievering oder Stammersdorf sind klingende Namen, die für den „echten“ Wiener Heurigen stehen. Abseits der bekannten Touristenrouten pflegen auch kleinere, weniger prominente Heurige das Traditionsbewusstsein – oft sind es gerade diese unscheinbaren Lokale, die als Geheimtipps gelten.

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Heutige Bedeutung
Während manche Heurigenbetriebe heute fast schon touristische Großbetriebe sind, gibt es weiterhin jene Familienbetriebe, die mit persönlichem Charme und regionaler Verwurzelung bestechen. Der Heurige bleibt ein Ort des Innehaltens, wo Zeit langsamer vergeht und die Stadt ein Stück dörflicher wirkt.
Anekdote und literarische Spurensuche
Der Schriftsteller Peter Altenberg soll einst angemerkt haben, dass er den Heurigen so schätze, weil man dort für ein paar Stunden vergesse, was man eigentlich vergessen möchte – eine kleine, bittersüße Pointe, die gut zum Wiener Lebensgefühl passt.
Und auch Josef Weinheber besang in seinen Gedichten die schlichte Magie des Heurigen: Ein Krügerl Wein, ein einfaches Lied, und das Herz finde seine Ruhe. Ob diese Worte nun wortwörtlich oder nur im Geist seiner Dichtung klingen – sie fassen die Stimmung des Heurigen trefflich zusammen.
„Beim Wein wird’s g’mütlich“ – dieser alte Wiener Spruch könnte als Motto über der ganzen Heurigenkultur stehen. Zwischen einem Glas Grünen Veltliner, einem Stück Topfenstrudel und einem alten Wienerlied zeigt sich, was den Heurigen einzigartig macht: Er ist zugleich Gasthaus, Kulturstätte und Stück Wiener Seele.
Einer meiner Lieblingsheuriger in Wien ist übrigens der Heuriger Wolf im 19. Bezirk und mein liebster Wein im Sommer ist ein Kaiserspritzer bzw. ein Wiener Gemischter Satz.
Prost, vielleicht sehen wir uns ja beim Heurigen!
Eure Sandra